Schule schwänzen obligatorisch

Zahlreiche Kinder in Russland haben Schulverbot.
Im selben Moment, in dem in der Schweiz die Schule wieder beginnt, wo nicht wenige Schüler widerwillig in ihre Klassen zurückkehren, haben in Russland zahlreiche Kinder keinerlei Zugang zur Ausbildung.
Es sind dies die Mädchen und Knaben der russischen Bürger, die ohne Ausweise Sans-Papiers in ihrem eigenen Land sind. Staatenlos wie ihre Eltern, sind diese Kinder für die Behörden ganz einfach inexistent.

Das UNHCR schaltet sich ein
Vor vier Jahren lancierte das UNHCR eine 10 Jahre dauernde weltweite Kampagne, um die Staatenlosigkeit zu beenden, um diese verheerende juristische Gesetzeslücke zu beheben, welche auf der Welt Millionen von Personen das Leben verunmöglicht.
Eines der erklärten Ziele ist, dass jedes Neugeborene eine Geburtsurkunde erhält. Heutzutage ist dies in Russland der Fall, dies sogar, wenn ihre Eltern absolut keine Identität besitzen.

4 Millionen staatenlose russische Bürger
In Russland allein leiden über 4 Millionen Russen unter dieser administrativen Ungerechtigkeit, verursacht durch das Fehlen der Propiska in ihrem internen Pass.
Um eine permanente Niederlassungsbewilligung zu erhalten, muss man entweder eine Immobilie besitzen oder von deren Inhaber eine Mietbewilligung haben. Dies führt zu einer Vielzahl möglicher Missbräuche.
In Russland sind die individuellen Rechte eigenartigerweise nicht an die Person gebunden, sondern an deren Wohnsitz. Ohne Wohnort hat man keine Rechte.

Olga, ein Baby in Anführungszeichen
Eine russische Bürgerin ohne diesen behördlichen Status gebährt ein Kind mit unsicherer Zukunft.
Veronika, Mama sans-papier, ist ein bedaurenswertes Beispiel.
Sie erzählt davon: Man hat mir meine Ausweise und mein Geld geklaut. Ohne sie konnte ich den Diebstahl nicht deklarieren und auch keine neuen Identitätspapiere machen lassen. Ohne Ausweise habe ich nicht mehr existiert, ich konnte nicht mehr heiraten. Als Schwangere erhielt ich keine gynäkologische Betreuung mehr. Olga kam in einer Notfallstation zur Welt, der einzige Ort, wo Mütter gebären können.
Damit mir das Spitalpersonal die Geburtsurkunde aushändigt, auf die ich Anrecht habe, musste ich die Mitarbeiter anflehen und Olga kneifen, damit sie ein wenig weinte und das Personal hörte, dass sie da war, lebendig.
Und trotz ihres Geburtsscheines hat meine Tochter bis heute nie eine Schulbank kennengelernt. Ohne Propiska haben sie sich stets geweigert, meine Tochter einzuschreiben.

Die Missachtung der Verfassung
Eine absurde Zuwiderhandlung gegen das russische Gesetz vom 10.07.1992, Nr. 3266-1, das festhält:
„… Der Zugang zur Ausbildung ist ohne Einschränkung für alle Kinder gewährleistet, unabhängig davon, ob eine Registrierung vorliegt oder anderer Faktoren und Umständen…“.
Ferner widersprechen die Auswirkungen der fehlenden Propiska den Prizipien des Übereinkommens für das Recht des Kindes der Vereinten Nationen.
Von Russland am 20. November 1989 verabschiedet, hält es fest, dass alle Mitgliedstaaten die vom Übereinkommen vorgesehenen Rechte für jedes Kind ohne jegliche Diskriminierung respektieren und deren Umsetzung sicherstellen. Dazu gehört, dass das Recht auf Ausbildung auf der Basis gleicher Chancen für alle Kinder realisiert ist, unabhängig der sozialen Herkunft und finanziellen Situation des Kindes, seiner Eltern, der gesetzlichen Vertreter oder irgendwelcher anderer Überlegungen.

Ich träume von einer normalen Existenz
Veronika und Millionen russischer Mütter, ebenfalls Sans-Papiers, träumen davon, dass ihre Nachkommen eines Tages wie die andern kleinen Russen leben können, die manchmal widerwillig zur Schule gehen, eine normale Existenz zu haben, Hoffnungen wie jeder einzelne.

Heute ist im Land der Sans-Papiers die Zukunft dieser Kinder bereits vorgezeichnet.

 

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